Für Angehörige

Lebensraum

Als Angehörige von Menschen, die einen oder mehrere Schwangerschaftsabbrüche erlebt haben, kann man in einen starken inneren Konflikt kommen: 
„Es ist doch gar nicht meine Story, aber ich fühle eine Schwere und bin traurig.“ 
„Darf ich so empfinden, wie ich empfinde?“
„Was hätte ich anders machen können? Hätte ich etwas anders machen können?“

Manchmal kann es sich danach anfühlen, als würde sich die eigene Vergangenheit plötzlich in der nächsten Generation wiederholen. Und das zarte Wissen, jemand fehlt, beschwert das Herz. Oder wenn man das erfahren hat, was man schon immer gefühlt hat: Eigentlich sollte ich nicht leben und bin dennoch geboren …

Konturen von Worten, ein Kämpfen im Leben und die große Angst, was passiert, wenn das Schweigen ausgesprochen wird, können die Leichtigkeit über Jahre im Alltag nehmen.

Du bist nicht allein.
Es gibt Hoffnung.

Die VillaVie möchte für dich ein Lebensraum sein.
Hier darfst du einfach du sein: exakt so, wie du bist.

Komm nicht auf Scherben zu stehn.

Andreas Bourani

Musikvideo „Hey“ von Andreas Bourani

Ein Brief von Heike – Mutter, Anfang 50

Bald feiere ich meinen fünfzigsten Geburtstag. Es ist Sommer, der Garten ist mit bunten Blumen übersät, die Sonne scheint warm. Alles wird für meine Gäste hergerichtet; ich bin schwer beschäftigt und freue mich auf diesen besonderen Tag. Ich freue mich auf die Menschen, die ich sehen werde.
Unvermittelt legt sich ein Schatten über meine Seele. Es dauert, bis mir in meinem Trubel klar wird, was da in mir geschieht. Ich bin traurig und fühle eine unendliche Leere in mir. Es überfällt mich regelrecht. Mir wird bewusst, dass zwei Menschen nicht zu Besuch kommen werden. Sie können mir nicht gratulieren, nicht mit mir essen, lachen, weinen … leben.
Sie sind gestorben.
Mein Enkelkind wurde durch einen Schwangerschaftsabbruch hergegeben; seine Mutter ist tödlich verunglückt.
Mein Enkelkind hätte mir vielleicht einen Blumenstrauß gepflückt, denn ich liebe Blumen und die Natur. Diese Liebe hätte ich so gerne weitergegeben.
Mein Enkelkind hätte bestimmt sehr gerne mit mir gespielt. Vielleicht hätte ich ihm meine Geburtstagskarten vorgelesen, in einem Bilderbuch geblättert, Fußball gespielt; es hätte mit seinem stolzen Uropa gespielt …
Es wäre jetzt schon im Schulalter und ich wäre mit meinen jetzt 50 Jahren eine sehr junge Oma.
Jeden Tag sehe ich aufgrund meines Berufes Kinder im Alter meines Enkelkindes. Es tat sehr lange sehr weh. Ehrlich: Es war manchmal nicht auszuhalten; manchmal ist es immer noch total erdrückend und herzzerreißend schlimm.
Die Mutter des Kindes; sie fehlt. Ihr Platz in meinem Leben ist leer. Vielleicht wären mein Sohn und sie noch ein Paar.
In jedem Fall wären mein Sohn und sie Eltern.
Sie wäre Mutter. Mutter meines Enkelkindes. Wie wir wohl miteinander ausgekommen wären? Sie war so lebensbejahend, so bunt und fröhlich. Ich stelle mir vor, dass sie diese Eigenschaften an ihr Kind weitergegeben hätte …
Ihre Liebe lebt in meinem Sohn weiter. Sie hat ihm sehr viel gegeben.
Zwei Menschen fehlen an meiner Geburtstagstafel und in meinem Leben.
Ganz ehrlich: Ich wäre lieber Oma geworden. So viel lieber hätte ich meinem Sohn und seiner Partnerin dabei geholfen, das werdende Leben anzunehmen, das Kind zu begleiten, sie als Eltern, als Familie zu unterstützen, ihre Ängste und Nöte mit dieser sie überfordernden Entscheidung geteilt, sie zu Beratungsstellen begleitet …
Aber sie haben alles allein und heimlich für sich entschieden. Zwei überforderte Teenager sind nach Holland gefahren, um dort den Abbruch vornehmen zu lassen. Sofort danach wussten sie beide, dass es ein riesiger Fehler war. Ohne Begleitung, ohne Beistand haben sie beide eine schwerwiegende Entscheidung getroffen. Anschließend haben sie versucht, ihr Leben fortzusetzen. Sie sind damit gescheitert.
Dieses Wissen tut, neben dem Verlust von zwei Menschen, sehr weh. Was hätte ich vielleicht in der Vergangenheit bewirken können? Auch das ist eine quälende Frage, die ich mir immer wieder stelle. Eine Antwort darauf wird es nicht geben.
Mein Sohn steht vor einem Grab, wenn er seine Familie besuchen will.
Zwei Menschen vermisst er in seinem Leben. Zwei Menschen vermisse auch ich in meinem Leben. Sie sind auch meine Familie. Wir vermissen sie beide. Heute können mein Sohn und ich das gemeinsam feststellen; es sagen und ganz kurz gemeinsam aushalten.
Es ist eine so schlimme und harte Realität, an der mein Sohn fast zerbrochen wäre. Jahre hat es gebraucht, bis er sich mir anvertrauen konnte. Zuvor ist er in seine Welt geflüchtet: Depressionen Spielsucht, Soziophobie … Geflüchtet vor seiner Trauer, Wut, Verzweiflung, vor dem Leben.
Sein Erleben des Schwangerschaftsabbruchs, das Schweigen, Verheimlichen, Lügen, seine Scham, haben mein Leben verändert. Seine furchtbare Geschichte ist meine furchtbare Geschichte. Ich bin seine Mutter, wie sollte dies anders sein? Dass etwas nicht stimmte, war sehr deutlich zu spüren. Dass diese Ursache zu Tage treten würde, damit hatte ich niemals gerechnet.
Viele Selbstzweifel liegen hinter mir. Trage ich eine Schuld? Was hätte ich anders machen können oder müssen? Ich muss auch hinzufügen, dass meine persönliche Einstellung zum Thema „Schwangerschaftsabbruch“ immer war und ist, dass ich mich im Konflikt für das Leben entschieden hätte und dies auch einmal getan habe. Das Kind habe ich verloren. Trotzdem habe ich die Überzeugung, dass diese Entscheidung eine höchsteigene ist, die es zu respektieren gilt. Jeder Mensch muss sie ohne Angst und Scham, ohne Druck für sich fällen dürfen.
Mein Sohn hat das große Glück gehabt, dass er die VillaVie fand. Es ist auch mein Glück. Die Menschen dort haben sein Leben verändert – und damit auch meines.
Denn: Man kann das nicht trennen. Es ist unser Verlust, unsere Trauer und unser Weg, den wir gehen.
Die VillaVie ist unser Ort für Trauer, Hoffnung, Wertschätzung, Menschsein, Hoffnung, Liebe und bedingungslose Unterstützung. Ich bin unendlich dankbar dafür. Mein Sohn ist unendlich dankbar dafür. Und die, die im Leben fehlen, sind an dem Ort dankbar, wo sie gemeinsam sind.
Liebe verwaiste Großeltern, euch und eurer Familie wünsche ich sehr, dass ihr auf Menschen trefft, die Ähnliches erlebt haben. Viel mehr Menschen, als ihr vermutet, können eure Gefühle nachempfinden, sie verstehen, mit euch reden und schweigen. Viele Menschen haben Ähnliches erlebt. Ihr seid nicht allein. Es kann euch sehr erleichtern, das zu spüren.
Ein Ort, das zu erfahren, ist die VillaVie.
Ich wünsche euch und euren Kindern, dass ihr euch annähern könnt und euren Weg (vielleicht) erneut gemeinsam gehen könnt, in dem Bewusstsein, dass ihr einen Menschen nicht in eurem Leben haben werdet.
Wir dürfen nach unserem Verlust weiterleben; wirklich leben, nicht nur überleben. Wir dürfen in die Zukunft blicken, ohne das Vergangene zu vergessen. Selbstzweifel und Schuld dürft ihr hinter euch lassen.
In der VillaVie ist der Raum, die Zeit und die Liebe zu den Menschen, die Professionalität, um dies zu erreichen.
Ich wünsche euch daher von Herzen, dass ihr den Weg in die VillaVie finden könnt.

Heike

Unsere Antworten auf deine Fragen:

Ja klar, komm gerne einfach so zu unseren Öffnungszeiten vorbei oder melde dich für einen persönlichen Gesprächstermin via E-Mail, Fon oder WhatsApp; du bist uns GANZ willkommen.

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Die gesamte Arbeit der VillaVie lebt zu 100 % davon, dass Menschen in die VillaVie hineinspenden, damit  j e d e r  Mensch die Einladung in die VillaVie kostenfrei annehmen kann.

Du bist nicht allein mit deiner Sorge um den Menschen, der dir nahesteht. Wenn du dich damit schwertust, dass dieser Mensch einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung zieht oder bereits erlebt hat, zeigt das, dass dieser Mensch dir sehr wichtig ist. Du bist uns mit allen Fragen, Emotionen und Erlebnissen, die du mitbringst, GANZ herzlich willkommen.

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